„Günstiger, einfacher, öfter“:
Forderungspapier für ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket & Milliarden-Investitionen in Bus und Bahn
Das 9-Euro-Ticket ist schon in den ersten Wochen ein großer Erfolg. Millionenfach gekaufte Tickets sind schon jetzt ein Beleg dafür, wie groß das Potenzial ist, deutlich mehr Menschen fürs Bus- und Bahnfahren zu gewinnen, wenn die Tickets bezahlbar und unkompliziert sind. Erste Befragungen und Auswertungen von Daten untermauern dies: Bis zu 30 Prozent mehr Nutzer*innen im ÖPNV sind ein deutlicher Zuwachs.
Drei Monate machen noch keine Verkehrswende, aber man kann aus ihnen lernen: Mit diesem Papier zeigen wir auf, wie wir das Grundrecht auf Mobilität langfristig für mehr Menschen sichern und zugleich die CO2-Emissionen endlich senken. Wir unterbreiten mit diesem Papier Vorschläge, wie der Verkehrssektor seine Klimaziele einhalten kann. Zentral dafür ist, das 9-Euro-Ticket dauerhaft anzubieten und massiv in Bus und Bahn zu investieren – dafür zeigen wir einen konkreten Fahrplan auf – auch für die Finanzierung.
Unser Motto für Bus und Bahn ist klar: Günstiger, einfacher, öfter!
Unsere Analyse: Wo wir stehen!
Dringender Handlungsbedarf in der Verkehrspolitik
Der Verkehrssektor leistet weiterhin keinen nennenswerten Beitrag für den Klimaschutz und reißt alle Klimaziele. Bis zum 15.07. muss die Bundesregierung und der zuständige Verkehrsminister ein Sofortmaßnahmen-Paket vorlegen, das aufzeigt, wie die Klimaziele in den nächsten Jahren im Verkehrssektor erreicht werden können. Denn gerade hier muss unverzüglich umgesteuert werden: Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs müssen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2019 fast halbiert werden. Das ist nur mit einer massiven Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs möglich.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine erhöht zudem den kurzfristigen Handlungsbedarf deutliche Einsparungen von Öl und anderen fossilen Energieträgern zu erreichen. Schnellstmöglich und dauerhaft müssen Energieimporte aus Russland gestoppt werden. Politisch müssen daher alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um mögliche Potenziale vollständig zu nutzen. Günstige, gut ausgebaute Busse und Bahnen können dazu beitragen, dass Menschen das Auto stehen lassen und komplett umsteigen.
Mobilität ist eine Frage der gesellschaftlichen Teilhabe
Mobilität muss jedoch auch als zentrale Frage der gesellschaftlichen Teilhabe gesehen werden. Manche Nutzer*innen des 9-Euro-Tickets können jetzt Fahrten unternehmen, die sie sich sonst nie hätten leisten können. Nur wer mobil ist, kann auch wirklich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Egal ob es die Fahrt zu Freund*innen in die Nachbarstadt, zum Club im nächsten Dorf oder der Ausflug an den Strand ist: Alle Menschen haben ein Recht darauf, mobil zu sein. Dieses Recht muss endlich verwirklicht werden. Und angesichts der weiterhin hohen Inflation ist eine Reduzierung des Monatstickets von teilweise über 100 Euro für Pendler*innen eine zielgerichtete und wichtige Entlastung.
Das Recht auf Mobilität ist jedoch mit günstigen Tickets allein nicht zu machen: Die Realität ist, dass 55 Millionen Menschen in Deutschland keinen ausreichenden Zugang zum Bus- und Bahn-Netz haben. Preispolitik ist daher nur die halbe Miete: Ein nie dagewesener Ausbau von Kapazitäten und Angeboten für Bus und Bahn ist unerlässlich für die Mobilität der Zukunft.
Verkehrswende einleiten und Fernverkehr mitdenken
Ohne eine Abkehr vom Verbrenner werden wir die Klimaziele nicht einhalten können. Das angestrebte Verbot von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 ist daher begrüßenswert, kommt aber zu spät. Verkehrswende heißt aber vor allem, einen Umstieg vom Auto auf den Umweltverbund aus Fahrrad, Bus, Bahn und kurzen Fußwegen zu ermöglichen.
Ein günstiger, gut ausgebauter Fernverkehr, der auch kleine Städte und das Land anbindet, kann lange Autofahrten oder Inlandsflüge klimaschonend ersetzen. Wenn wir es daher mit der notwendigen Verkehrswende ernst meinen, müssen Forderungen zur Verlängerung des 9-Euro-Tickets und dem Ausbau des Nahverkehrs auch mit einer Diskussion über den Fernverkehr verbunden werden. Viel zu hohe und immer weiter steigende Preise sind hier neben der Unzuverlässigkeit die größten Baustellen der Bahn und des Schienensystems. Um dies zu beheben braucht es massive Investitionen.
Fachkräfteoffensive und Schutz der Beschäftigten
Die Verkehrswende ist eine gewaltige Chance für den Arbeitsmarkt, weil etliche neue grüne Jobs entstehen könnten. Zehntausende Arbeitsplätze werden alleine benötigt, um Bahnen und Busse zu fahren, zu bauen und zu warten. Der Ausbau kann also nur mit einer Fachkräfteoffensive gelingen: Gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne sowie der Schutz der Beschäftigten müssen dabei im Mittelpunkt stehen. Um die Grundlage dafür zu legen, muss die Ampelregierung bei ihren Plänen für eine Ausbildungsgarantie den ÖPNV mitdenken.
Ein Zurück zum Status Quo können wir uns nicht leisten!
Angesichts all dieser Herausforderungen, Chancen und Handlungsnotwendigkeiten wäre es ein fataler Schritt in die völlig falsche Richtung wieder zum vorherigen, schlechten Status quo zurückzukehren. Das können wir uns nicht leisten!
Das 9-Euro-Ticket muss nun als Türöffner für das dringend überfällige Umsteuern in der Verkehrspolitik genutzt werden. Alle Regierungsparteien und Verantwortungsträger*innen von Bundesregierung über Landesregierungen zu Kommunen, über Verkehrsbetriebe bis hin zu den Verkehrsverbünden sind hier in der Pflicht.
Unsere Forderungen: Was wir brauchen!
Günstiger: 9-Euro-Ticket dauerhaft
Wir fordern die dauerhafte Einführung des 9-Euro-Tickets. Ein günstiges und für alle bezahlbares Ticket ermöglicht Menschen in Stadt und Land die Nutzung von Bus und Bahn. Pendler*innen werden so dauerhaft entlastet und Menschen, die sich teure Bahntickets in der Vergangenheit nicht leisten konnten, sind endlich mobiler. Bus und Bahn fahren muss die deutlich günstigere Alternative zum Auto sein, damit mehr Menschen umsteigen – besonders da, wo der Ausbau aktuell unzureichend ist.
Einfacher: Ein Ticket deutschlandweit!
Das 9-Euro-Ticket ist auch deshalb so erfolgreich, weil es so einfach ist. Im aktuellen Tarifdschungel müssen Nutzer*innen Zugtypen, Tarifzonen, Uhrzeiten und teilweise sogar Wochentage berücksichtigen – das ist absurd. Man stelle sich vor, Autofahrer*innen müssten wochentags vor 9 Uhr oder in jedem Landkreis grundlegend andere Verkehrsregeln beachten. Die letzten Wochen zeigen, dass ein bundesweit einheitliches Ticket möglich ist, wenn es politisch gewollt wird. Das “Heilige Römische Reich deutscher Tarifzonen” muss enden.
Öfter: Milliarden-Investitionen in Bus und Bahn
All das muss mit einem massiven Ausbau der Kapazitäten des öffentlichen Personennahverkehrs einhergehen – besonders im ländlichen Raum. Menschen haben nur dann einen Anreiz, dauerhaft auf ihr Auto zu verzichten, wenn die Fahrt mit dem Bus wirklich eine Alternative ist und nicht sehr viel länger dauert. Hier gilt es, alles Erdenkliche möglich zu machen, um kurz-, mittel- und langfristig die vorhandenen Angebote deutlich auszuweiten.
Kurzfristig sollen, wo möglich, Taktungen erhöht werden, indem mehr Busse und Bahnen fahren. Einige Verkehrsbetriebe konnten dies schon bei der Einführung des 9-Euro-Tickets umsetzen. Das gilt es, mindestens beizubehalten und durch eine finanzielle Unterstützung des Bundes auszubauen.
Die Forderungen in Zahlen:
9-Euro-Ticket dauerhaft
Die Einführung des 9-Euro-Tickets für drei Monate kostete 2,5 Milliarden Euro. Da hier aber zum Teil Gelder aus anderen Töpfen genutzt wurden und in Einzelfällen Strecken nicht berücksichtigt wurden, kann dieser Betrag nicht einfach auf das Jahr hochgerechnet werden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geht davon aus, dass für die dauerhafte Bereitstellung des 9-Euro-Tickets und die vollständige Kompensation der Ticketeinnahmen 13 Milliarden Euro pro Jahr nötig sind.
Ausbau von Bus und Bahn
Die Basis für attraktive Angebote ist eine gute Infrastruktur. Aktuell ist in Deutschland jede sechste Weiche, jedes sechste Gleis und jede sechste Brücke sanierungsbedürftig. Der Sanierungsstau beträgt aktuell mehr als 50 Milliarden Euro, dieser muss umgehend abgebaut werden. Darin noch nicht berücksichtigt sind benötigte Mittel für neue Busse und Schienen, die Reaktivierung von Schienenstrecken, die Einrichtung neuer Buslinien und Haltestellen oder für einen umfangreichen, zuverlässigeren, besseren Betrieb.
Hinzu kommt noch die von der Verkehrsminister*innenkonferenz geforderte Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Darüber hinaus werden weitere Milliarden für den Neu- und Ausbau von Infrastruktur benötigt.
Bezahlbare Tickets und notwendiger Ausbau dürfen nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Für beides müssen ausreichend Mittel bereitstehen: 13 Milliarden für die Fortführung des 9-Euro-Tickets, 7 Milliarden Euro für Investitionen und Betrieb. Der Bund muss daher mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr für klimafreundliche, günstige und energieeffiziente Mobilität zusätzlich bereitstellen.
Unser Finanzierungsmodell
Mehr Mobilität, mehr Klimaschutz, Transformation der Wirtschaft, zukunftsfähige und grüne Jobs: Die Erfolge durch eine Verstetigung des 9-Euro-Tickets sind die Investitionen in jedem Fall wert. Die bestehende zukunftsfeindliche Schuldenbremse darf diesen notwendigen Investitionen nicht im Weg stehen.
Doch selbst im vorhandenen System können durch reine Umschichtungen die nötigen Milliarden für die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets und den massiven Ausbau freigemacht werden. Dieser ohnehin längst fällige Abbau klimaschädlicher Subventionen birgt zudem die Chance, dass die Klimaziele im Verkehrssektor schneller erreicht werden können.
- Abbau umweltschädlicher Subventionen
Durch die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (ca. 4,4 Milliarden Euro), die Abschaffung des Dieselprivilegs (bis zu 8,2 Milliarden Euro) und die Besteuerung von Kerosin (ca. 8,3 Milliarden Euro) wäre die benötigte Summe vollständig zu finanzieren. Bis zu 20,9 Milliarden Euro könnten so im bestehenden System kurzfristig umgeschichtet werden. Allein dies reicht aus für eine Qualitäts- und Preisoffensive im öffentlichen Verkehr. Zudem sollte die Einführung einer Mehrwertsteuer auf internationale Flüge (bis zu 4,2 Milliarden Euro) angestrebt werden, für die es aber einer länderübergreifenden Regelung bedarf.
- Geld von der Straße auf die Schiene verlagern
Das Fernstraßennetz in Deutschland ist vollständig ausgebaut, es braucht keine weiteren neuen oder vergrößerten Autobahnen. Pro Jahr werden über 3 Milliarden Euro für den Straßenneu- und Ausbau bereitgestellt. Diese können sofort in neue Schieneninfrastruktur und Radwege umgelenkt werden. Zusätzlich sollten die Einnahmen aus der Lkw-Maut, insbesondere durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte CO2-Maut, die bis zu 5 Milliarden Euro einbringen kann, direkt in die umweltfreundlichen Verkehrsträger fließen.
Fazit
Der Bedarf nach günstiger und unkomplizierter Mobilität für alle ist da. Zudem zwingt uns die Klimakrise ohnehin, unser Verkehrssystem vom Kopf auf die Füße zu stellen. Die dafür nötigen Mittel sind innerhalb des Verkehrssektors längst vorhanden – sie werden bisher allerdings für ineffizienten Individualverkehr verschwendet. Wir haben also alles, was es braucht für die Mobilität der Zukunft – es fehlen nur noch die entsprechenden Gesetze. Wir können und dürfen nicht länger warten.
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